Söder war besser als das Original, Udes Auftritt fulminant, Guttenberg zweifelsohne perfekt! Seehofer war ok, Merkel und Hadertauer waren solide. Rösler, Gabriel und Roth konnten den Funken leider nicht so recht überspringen lassen. Auch Stephanie Freifrau von und zu Guttenberg kam, wie früher in Bayreuth und Afghanistan, zu einem kurzen Gastauftritt.
So, hätt‘ma alle erwähnt.
Oder? Nein, die Bavaria, die Kinseherin, fehlt ja noch. Die war schauspielerisch super, aber so richtig überzeugt hat sie trotzdem nicht. Wer den Nockherberg gewöhnt ist, der wartet auf tiefsinnige Pointen, bei denen das Lachen im Hals stecken bleibt, auf messerscharfe Kritik, auf einen, der so richtig die Leviten liest. Die Bavaria aber war heute zu mütterlich und zu sehr auf der moralischen Schiene unterwegs. Souverän war sie ohne Zweifel, textsicher und fest auf ihrem Sockel, eben so, wie man sie kennt. Aber wo war die Schärfe? Da ist ja selbst die billige Currypaste vom Aldi würziger! Gekonnt ist sie ja schon umgesprungen mit den Herren und Damen PolitikerInnen in den ersten Reihen der strengen Sitzordnung.
Aber wenn selbst die Politiker im Interview nach der Rede sagen sie würden die Kinseher gerne im nächsten Jahr wieder sehen, dann ist da doch was schief gelaufen. Oder sollen sich ab heute, auf‘m modernen Nockherberg, die werten Politiker ihre Kritiker selbst aussuchen?
Machma doch unsern eigenen Nockherberg
So scheint’s. Der Lerchenberg Michael wurde ja abgesägt vom Feinsten. Politiker aller Couleur haben sich damals im Schutze des Zentralrats und der Staatskanzlei mokiert über seinen KZ-Vergleich. Und was hamma dieses Jahr davon? Eine Spaß-Kabarett-Veranstaltung, die genau so auch in Berlin oder auf RTL am Samstagabend hätte laufen können.
Nix war bayrisch, gar niemand wurde so richtig derbleckt und kreativ war nicht einmal das Singspiel. Auweh, das Singspiel! Ist der Prinzregent Luitpold einst noch in langen Unterhosen und der kurzen Lederhosn auf die Jagd gegangen – wenigstens a g‘scheider Stilbruch -, so steht heute am Nockherberg eine DJane im Modedirndl und mixt an den Turntables die Musik zum modernen Singspiel. Zu Beginn tanzen die HipHop-Chicks aller Nationen im modernen Wiesn-Dirndl, also kurz, Reißverschluss und rosa Schürze, über einen möchtegern verbayrischten Song – versinnbildlicht durch die Tuba – und läuten die Ära des lächerlichen Bavaria-Pop ein. Im weiteren Verlauf moderiert dann Allstar Christian Ude eine Gala, die leider doch zu sehr an das Singspiel im vergangenen Jahr 2010 erinnert.
Bavaria-Pop auf dem Nockherberg, der sich selbst derbleckt
Damals nahmen die Drehbuchautoren „DSDS“ auf die Schippe und suchten BSDS – Bavarias next Superstar. Also auch schon so ein komischer RTL-Abklatsch. Na aber wenigstens haben sich die Herren Autoren in diesem Jahr weniger an RTL denn an Pro7 orientiert. Die Struktur aber blieb die gleiche: Kein klassisches Bühnenbild, keine entwickelten Charaktere wie bei einer der früheren Theateraufführung und vor allem kein roter Faden. Waren in der guten alten Nockherberg-Zeit die Singspiele noch gekonnt inszeniert wie die G‘schichten auf der Iberl-Bühne in München, so werden die modernen Singspiele einfach nur moderner und moderner, ein lautstarker, lichtgewaltiger Schichtwechsel zwischen den Interpreten ohne inhaltlichen Zusammenhang.So sehr sich auch die Autoren des Singspiels am Highlight KTG-Guttenberg aufrieben, so haben sie wohl nicht gemerkt, dass sie in diesem Jahr ihr ganz eigenes Plagiat abgeliefert haben. Denn Udes Pointe – die Bürgerinnen und Bürger, Geldbeutel und Geldbeutelinnen, Männer und Männerinnen – war bereits die Ude-Pointe im Singspiel 2010. Der Ablauf, Politiker tritt ab, ein anderer tritt auf, ohnehin. Und genauso der inszenierte Kampf Söder gegen Guttenberg war ja bereits das Highlight des Singspiels 2010.
Fein sein, beinander bleibn‘
Naja, aber so ist es nun eben bestellt um die bayerische Tradition. Sie geht eh schon in der Großstadt München im Alltag völlig unter und taucht nur als pseudo-Bavaricum zur Wiesn-Zeit auf. Schade, dass sich der Nockherberg nun auch diesem modernen Bayern-Mainstream verschrieben hat, der leider völlig verkennt, dass er sich permanent durch seine Lächerlichkeit selbst derbleckt.
Früher, als der Nockherberg noch Nockherberg war, mit Charakterdarstellern, mit treffenden Inszenierungen, die ohne Pomp und Gloria, ohne Licht- und Lasereffekte auskamen, wusste man als Politiker, worauf man sich einlässt, wenn man auf dem Nockherberg erschien. Heute, so wie es scheint, gibt es auf dem Nockherberg eben nur noch den typischen Einheitsbrei zu sehen, der mit Tradition und Satire nichts mehr zu tun hat.
Das Neue muss nicht immer besser sein. Und je mehr man diese traditional bayerische Veranstaltung modernisieren will, bis sie aus allen Poren nur noch so vor Modernisierung strotzt, umso lächerlicher wird sie. Je mehr man sich dem Einheitsbrei anpasst, umso mehr lobt man den, der derbleckt werden soll. Und so zeigen die modernen Derblecker nur noch ihren Maulkorb und nicht mehr ihre Zähne. Schad‘ is!
Hier geht es zum Nockherberg-Dossier.
Die Bildrechte liegen bei Wolfgang Kopp (Nockherberg, Creative-Commons-Lizenz) und Hoverfish (Bavaria, Creative-Commons-Lizenz).
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